Was ist Zugehörigkeit?
Pauline Wums sitzt seufzend an ihrem Küchentisch und greift nach ihrer Lieblingstasse. „Hinfallen, aufstehen, Krone richten und weitergehen“ steht in blau-goldenen Lettern drauf. Die ambitionierte Postdoc Raumfahrt-Wissenschaftlerin lehnt sich seufzend zurück, sodass der blaue Holzstuhl unter dem Gewicht ihres Rückens ein wenig knarzt.
Fassungslos blickt sie auf Ihr iPhone. Ihre Hände zittern so stark, dass es ihr fast in den Kaffee fällt. Sie springt auf, sucht in ihrer Mediathek „Enough is enough“, stellt die Musik auf extra laut und tanzt zuerst durch die Küche, dann in ihr Wohnzimmer. Dabei ballt sie ihre Fäuste und schlägt mit schnellen kurzen Bewegungen in die Luft, faucht dabei wie eine Bärenmutter, deren Kindern man zu Nahe gekommen ist, sodass ihr schokoladenbrauner Vorhang fast von der Stange fliegt.
„Ich könnte kotz**!“ schreit Pauline. Nach der zweiten Runde um den Couchtisch kommen ihr auf einmal die Tränen. Bilder aus den letzten Wochen mit dem Teamkollegen tauchen auf: wie er sich vor den anderen über sie lustig gemacht hat. Wie er ihr immer wieder wichtige Informationen vorenthält und sich mit ihren Ergebnissen schmückt. Sie ist wütend, schämt sich. Dieses Gefühl, nicht dazu zugehören, niemals genug zu sein. Tränen laufen jetzt über ihr Gesicht. „Verdam** ich dachte, ich hätte das Thema durch! Wieso lasse ich das schon wieder mit mir machen?“
Das Smartphone klingelt. Kathrin, ihre wunderbare Freundin und ehemalige Teamkollegin ist dran: „Und? Wie war es? Hat Dein Vorgesetzter gesagt, dass er sich darum kümmert?“ Pauline schluchzt jetzt noch lauter:“Nein, er hat gesagt, dass wir das unter uns klären müssen. Ich muss mich abhärten, wenn ich es in der Wissenschaft zu etwas bringen will.“
Jetzt wird Kathrin wütend:“So ein altes Ars***! Gar nichts musst Du. Der hat keine Lust, sich darum zu kümmern. Was Du mit dem Kollegen erlebt hast, nennt man Mikro-Aggressionen. Kein Wunder, dass Du keinen Bock mehr auf die Arbeit hast. Dein Vorgesetzter müsste dafür sorgen, dass das nicht passiert und Du Dich sicher fühlst. Interessiert ihn aber anscheinend nicht.“
Pauline schluchzt jetzt noch lauter.
„Was wirst Du jetzt machen?“, fragt Kathrin. „Du weißt, was ich von Dir halte: Du hast Preise gewonnen, zählst zu den großen Nachwuchshoffnungen. Warum willst Du Deine kostbare Lebenszeit an einem Ort verschwenden, an dem Du nicht unterstützt wirst?
Das saß! Kathrin hatte recht. Pauline hört jetzt auf, zu schluchzen. „Stimmt. Danke.“ Sie legt auf. Setzt sich wieder an den Küchentisch. Atmet einmal tief durch, nimmt noch einen Schluck aus der Kaffeetasse, wählt die Nummer ihres Chefs und sagt entschlossen: „Ich kündige!“
Der Begriff „Belonging“ kommt aus dem Englischen und bedeutet Zugehörigkeit. „Belonging/Zugehörigkeit ist das Gefühl von Geborgenheit, Unterstützung und Sicherheit, die Du in einer Gruppe erfährst. Du spürst Belonging/Zugehörigkeit, wenn Du das Gefühl hast, in Deiner Identität von einer bestimmten Gruppe akzeptiert und inkludiert zu werden.“
Zugehörigkeit ist ein menschliches Grundbedürfnis. Ich kenne keinen Menschen, der nicht schon einmal Erfahrung mit Ausgrenzung gemacht hat. Über Generationen hinweg vererbte Traumata sind oftmals der Grund dafür, dass wir als Kinder zwischen Zugehörigkeit und Authentizität entscheiden mussten. Wer diesem Thema – im Rahmen einer Einzelbegleitung – an die Wurzel gehen will, bitte hier entlang zu meinem Programm „Leichter Lebensfluss„.
Am Arbeitsplatz bedeutet Belonging/Zugehörigkeit, dass Du Dein authentisches Selbst mitbringen kannst. Wenn Du als Mitarbeiter*in nicht das Gefühl hast dazuzugehören, dann leidet darunter nicht nur Deine Leistung, sondern auch Dein Privatleben. Irgendwann wirst Du vermutlich kündigen, oder krank.
Inklusive Führungskräfte schaffen die Voraussetzungen dafür, dass ein echtes Zugehörigkeitsgefühl für alle entsteht.
Wenn Du wissen willst, wie das geht mit dem sich zugehörig fühlen, dann schau mal hier lang. Ich habe einen Blogartikel darüber geschrieben.
Hier findest Du meine Blogparade zum Thema „Warum es mir so schwerfällt dazuzugehören„, an der auch Frauen teilgenommen haben, die schon mit mir gearbeitet haben.
15 Gedanken zu „Was ist Belonging?“
Was für eine verständliche Beschreibung für einen so komplexen und reichhaltigen Begriff. Ich bin beeindruckt.
Auch wenn ich den Begriff schon kannte und richtig einordnen konnte, ist diese Geschichte wirklich plakativ und vor allem prägnant und eingängig erzählt.
Danke, liebe Aimée,
ich freue mich, dass der Artikel Dich erreicht.
Herzlich, Iris
Liebe Iris,
das kommt mir sehr bekannt vor. Von 2005 bis 2014 arbeitete ich als Lehrerin und das Miteinander mit meinen Schüler:innen war nicht immer leicht. Manche hatten sich fest vorgenommen, mich auf die Palme, am liebsten zum Weinen zu bringen. Auch manche Kollegen (bewusst im Maskulinum) haben versucht, mir zu zeigen, wie viel mehr wert als ich sie waren.
Eine Kollegin meinte ernsthaft, ich solle mir „ein dickes Fell“ zulegen. Stattdessen habe ich tatsächlich gekündigt und erfahre in meiner jetzigen Tätigkeit ganz viel Wertschätzung und erfreuliches Miteinander.
Wenn ich mich in eine Rüstung zwängen muss, um den Tag zu überstehen, ist es wirklich kein Dazugehören.
Liebe Grüße und danke für die Blogparade!
Angela
Liebe Angela,
danke Dir ganz herzlich für Deinen Kommentar.
Diejenigen von uns, die empathisch sind und ALLES fühlen, sind zu dieser Zeit auf die Erde gekommen, weil sie an der neuen Geschichte mitweben wollen. Du brauchst kein dickes Fell, Du spürst, dass da was im Argen ist. Du wünschst Dir ein anderes Miteinander.
Toll, dass Du den Mut hattest Deinen Platz zu wechseln.
Liebe Grüße und herzlich danke schön für Deinen so wertvollen Beitrag zu meiner Blogparade!
Iris