In diesem Blogartikel gebe ich Ihnen 5 Tipps, wie Sie Unconscious Bias oder unbewusste Vorurteile in der Lehre vermeiden: Tipp 1: Werden Sie sich über Ihre Vorurteile bewusst. Tipp 2: Reflektieren Sie, wie Sie mit ihren Studierenden im Kontakt sind. Tipp 3: Planen Sie inklusive Lern-Aktivitäten ein. Tipp 4: Seien Sie achtsam bei der Prüfungsauswertung.
Das finden Sie in diesem Blogartikel
Tipp 1: Werden Sie sich über ihre Vorurteile bewusst
Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich lange Zeit gedacht: „Ich habe doch keine Vorurteile.“ Schließlich bin ich bi-kulturell aufgewachsen und habe viele Jahre in fremden Kulturen gelebt. Ich halte mich für einen weltoffenen Menschen.
Doch leider hat eine tolerante, offene Haltung wenig mit Vorurteilen/Biases zu tun. Denn Vorurteile sind eine „normale“ Reaktion unseres Gehirns, welches auf Informationen im Unterbewusstsein zurückgreift.
Machen Sie doch mal den Harvard Implicit Association Test (IAT) und lassen Sie sich vom Ergebnis überraschen. Ich mache den Test immer mal wieder und was soll ich sagen … ich bekomme immer wieder das Ergebnis, dass ich Vorurteile habe.
Also … no shame!
Oder schauen Sie sich dieses Video der Royal Society an, um sich über die Auswirkungen von Biases/Vorurteilen klar zu werden.
Das große Ziel ist es also nicht, zum „Homo non Bias“ zu werden, sondern sich darüber bewusster zu werden.
Tipp 2: Reflektieren, wie Sie mit Ihren Studierenden im Kontakt sind
Als Psychologie-Studentin habe ich alle möglichen Softskills Seminare zum Thema Kommunikation besucht. Denn irgendwann wurde mir bewusst, dass „einen guten Kontakt zu anderen Menschen herstellen“ mehr braucht als ein paar psychologische Theorien. Und wenn ich ganz ehrlich sein soll: Ich war früher eine absolute Niete, wenn es um guten Kontakt ging 🙈. Lange Zeit hat mich das sehr traurig gemacht, denn wir Menschen sind ja soziale Wesen, die einen guten Kontakt mit anderen Menschen brauchen. Wie die meisten von uns hatte ich „guten Kontakt“ nicht als Schulfach. Deshalb habe ich mich dann auf eine Forschungsreise begeben, um herauszufinden, wie das geht, mit dem guten Kontakt. Und ich lerne jeden Tag dazu.
In der Lehre ist es wichtig zu erkennen, dass die Art, wie Sie mit Ihren Studierenden im Kontakt sind, immer beeinflusst wird von Ihren unbewussten Vorurteilen. Und zwar ganz unabhängig davon, wie tolerant sie sind. Das hat etwas damit zu tun, wie die „zwei Denksysteme“ (vgl. z. B. Kahnemann, 2012) unseres Gehirns funktionieren.
Auch wenn Sie sich für einen rationalen, reflektierenden Menschen halten, sind sie es – zu einem sehr großen Teil – nicht. Ihr Gehirn hat dafür einfach einen zu kleinen Arbeitsspeicher, sodass Sie sie die meisten Informationen aus Ihrem Unterbewusstsein „abgreifen“. Wie der deutsche Wert „Pünktlichkeit“. Das resultiert dann in Vorurteilen im Kontakt mit Studierenden aus anderen Kulturen.
Beobachten Sie sich deshalb, wenn sie in Kontakt mit ihren Studierenden sind. Sagen wir, eine spanische Austausch-Studentin, fragt Sie, ob sie ihre Abschlussarbeit betreuen wollen. Dann kommt sie „zu spät“ zum vereinbarten Termin. Sortieren Sie sie automatisch in die mentale Box „unzuverlässig“ und ihr „nein“ steht schon fest, bevor Sie noch anfangen miteinander zu sprechen?
„Wir haben so wenig Zeit, lasst uns deshalb langsam vorgehen (Buddhistische Weisheit).“
Sie könnten stattdessen also einen Moment innehalten, sich über ihre „mentale Box“ bewusst werden, in den Kontrakt gehen und nachfragen, woran es denn lag mit der „Verspätung“. Vielleicht kam sie mit der Deutschen Bahn und hat gedacht, dass die immer pünktlich ist ;)!
Sie könnten ihr auch erklären, dass für Sie in der Zusammenarbeit „Pünktlichkeit“ ein wichtiger Wert ist.
Um ihr Gehirn „auszutricksen“ empfehle ich Ihnen, dass Sie sich für ihre Entscheidungen mehr Zeit nehmen, damit Sie Zugriff auf ihr zweites Denksystem bekommen. Auf den ersten Blick erscheint das kontraproduktiv. Langfristig gesehen sparen Sie damit aber Zeit ein. Sie könnten also „darüber schlafen“, bevor sie eine Entscheidung treffen. Hört sich vielleicht banal an, gibt Ihnen aber Zeit viel reflektierter zu reagieren.
Im Kontakt mit ihren Studierenden ist ein reflektierender Ansatz wichtig. Momente, in denen Sie sich selbst die Zeit geben, die Perspektive zu wechseln und ihre Wahrnehmung aktiv zu verändern.
Tipp 3: Planen Sie inklusive Lern-Aktivitäten mit ein
Als ich mit Anfang 20 das erste Mal an der Uni Graz in einem Softskills-Kurs saß, war ich glücklich. Bis dahin war mir nicht bewusst, dass es unterschiedliche Lerntypen gibt. Aber ich kam mit der Art, wie wir lernen sollten, schon in der Schule nicht klar und fühlte mich oft wie eine Versagerin, die „einfach nicht kapiert, wie es geht.“.
Obwohl ich immer schon ein sehr neugieriger, wissbegieriger Mensch war.
Der große Unterschied im Softskills Kurs: Wir lernten erfahrungsorientiert und interaktiv. Wir erarbeiteten die Themen auch mal in Kleingruppen, oder zu zweit (ein Segen für mich als introvertierte, sehr durchlässige Person), arbeiteten kreativ, bunt, mit Rollenspielen und übten uns in Präsentationen. Es war für jeden Lerntyp etwas dabei.
Interaktives, erfahrungsorientiertes Lehren und Lernen unterstützt Inklusivität.
Wenn Sie ihre Lernräume inklusiver gestalten wollen, dann haben sie zahlrreiche Möglichkeiten. Sie könnten damit beginnen, den Studierenden die Möglichkeit zu geben, sich vor- oder nach der Vorlesung, Übung etc. kennenzulernen. Noch viel besser ist es, wenn Sie moderierte Kennenlern-Übungen in Ihren Unterricht einbauen – egal ob virtuell oder in Präsenz. Das unterstützt die Studierenden dabei, neue Kontakte zu knüpfen. Für Deutsche ist das oftmals erst etwas komisch, denn unser kulturelles Mindset sagt oft immer noch: Wir trennen Beruf- und Privatleben.
Auch Sie haben so die Möglichkeit, die Studierenden besser kennenzulernen und ihre Vorurteile abzubauen.
Wenn Sie Ihren Unterricht außerdem mit Kleingruppen-Gesprächen, kreativen Aufgaben und Präsentationen durch die Studierenden anreichern, dann geben Sie den unterschiedlichen Lerntypen Raum.
Brauchen Sie dazu mehr Informationen? Schreiben Sie mir gerne in die Kommentare, was Sie interessiert.
Tipp 4: Seien Sie achtsam bei der Prüfungsauswertung
Ich sage es ganz ehrlich: Ich bin keine Freundin von Prüfungen. Das liegt in „meinem Fach“ (Interkulturelle & Diversity Kompetenz) daran, dass die mir wichtigsten Skills nicht wirklich gut mit Prüfungen erfasst werden können.
Natürlich kann ich Theorien abfragen, oder interkulturelle Situationen vorgeben und dann abfragen, wie die Studierenden dann am besten reagieren, etc.
Wenn es darum geht „empathische Kommunikation“, „Ambiguitätstoleranz“, „Sicherheit im Umgang mit mir selbst“ und „konstruktiver Umgang mit unterschiedlichen Wahrnehmungen“ zu messen, dann wird es schon schwieriger.
Das kann bei Ihnen aber ganz anders sein.
Wenn Sie möglichst inklusive Prüfungen und Vorurteile vermeiden wollen, dann machen Sie den Lernenden von Beginn an klar, welche Kriterien Sie für Ihre Prüfungen haben. Sorgen Sie dafür, dass die Kriterien für alle zugänglich sind. Mit Transparenz schließen Sie auch die – oftmals bestehende – Lücke unterschiedlicher Erwartungen zwischen Lehrenden und Studierenden.
Sie können außerdem dafür sorgen, dass die Auswertungen so anonym wie möglich abläuft. Etwa indem – eine andere Person in ihre, Team – die Namen der Prüflinge durch Nummern austauscht. Damit vermeiden Sie Vorurteile, die automatische auftauchen, wenn sie die Namen der Studierenden lesen – etwas wenn diese einen fremdländisch klingenden Namen haben.
Zudem können Sie überlegen, wie Schreibstil, Komposition, Flüssigkeit und Rechtschreibung Ihren Bewertungsprozess beeinflussen. Alle Studierenden profitieren von einem Ansatz, der mit solchen Fehlern sensibel umgeht. Ein Ansatz, der Schreibfehler – die nicht schwerwiegend genug sind, um das Verständnis zu beeinträchtigen – nicht bei der Benotung berücksichtigt. Damit geben Sie auch allen Studierenden Chancen, die die deutsche Sprache nicht hundertprozentig beherrschen. Außerdem Studierenden, die eine s.g. Lese-Rechtschreibschwäche haben.