Warum "Schuld, Scham und Schande" bei Diversity Themen nichts bringen und ich für mehr Bewusstsein bin

In diesem Blogartikel erkläre ich, warum ich bei Diversity Themen für mehr Bewusstsein, statt Schuld, Scham und Schande bin und untersuche, „wohin mit der oftmals angebrachten Wut, die in uns auflodern kann, wenn wir Ungerechtigkeiten erleben“. Ich untersuche, was es mit Ignoranz („das kann es nicht geben, weil ich es nicht erlebe“) auf sich hat, und erkläre, warum (theoretische) Vorträge zum Thema nicht reichen und frage: Was, wenn Frauen* gar nicht mehr wollen?

Auch wenn ich selbst Vorurteile erlebte und Gefühle von Wut und Ohnmacht kenne: Nach 22 Jahren beruflicher, aber vor allem auch eigener, innerer Auseinandersetzung mit diesem Thema bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass es darum geht, das allgemeine Bewusstsein zu erhöhen und Schuld, Scham und Schande Workshops uns gesellschaftlich hier nicht weiterbringen. 

Das finden Sie in diesem Blogartikel

Wohin mit der Wut?

Der „Kollege“, der meine Interview-Antworten aus einer Hochschulzeitung fast 1:1 übernommen und sich damit in einer der großen deutschen Zeitungen platziert hat.

Die zwei Wissenschaftler auf meiner ersten Konferenz – als junge, aufgeregte Doktorandin – die mich nach meinem Vortrag in der Fragerunde fragten, „wer mich denn bitteschön eingeladen hat“ – und später zu mir kamen, und meine Literaturliste haben wollten.

Es ist nichts Neues, dass Frauen*, die sich trauen, sichtbarer zu werden, diese oder zahlreiche, ähnliche Geschichten erzählen können. 

Geniale Frauen„, auf ARTE erzählt dazu die Geschichte von Frauen, die die Menschheit geprägt haben, dabei aber „irgendwie“ in Vergessenheit geraten sind (heißt: Die Lorbeeren für ihre Leistungen haben sich dann die Männer eingeheimst). Natürlich könnten wir gelassen darüber hinwegsehen, wenn nicht Geld (und damit eine gewisse Sicherheit) und Einflussmöglichkeiten (die Gesellschaft mitzugestalten) daran hängen würden. 

Dieses Thema anzusprechen, ist jedoch fast nicht möglich. Die aufkochende Wut auszudrücken, macht Dich unmöglich, hysterisch. Unsere Gesellschaft hat überhaupt größere Schwierigkeiten mit einer größeren Gefühlsbandbreite. Am leichtesten ist der Umgang mit „mir geht es bestens“. 

Was, wenn die Frauen* gar nicht mehr wollen?

Wenn Du darüber sprichst, dass Frauen in Deutschland 2022 immer noch weniger verdient haben, als Männer und Du darüber belehrt wirst, dass das nicht stimmt. 

Wenn Du hörst, dass Frauen sich mehr anstrengen müssen, wenn Sie nach oben wollen. Aber „Was, wenn Frauen gar nicht (mehr) wollen“ fragt auch Robert Franken? Sind diese Durchhalteparolen nicht: “ … ein zynischer Selbstschutz? Verhalten wir uns so, gerade weil wir wissen, wie es in vielen Unternehmen, Parteien oder Wissenschaftseinrichtungen aussieht? Indem wir suggerieren, Frauen könnten alles erreichen, kehren wir die Verantwortlichkeiten um. Denn wer es dann nicht „schafft“, die hat sich vielleicht nicht gut genug angestrengt?“

Die nachkommende Generation – unsere Zukunft – spiegelt es uns schon lange: Sie wollen nicht mal mehr eine Work-Life-Balance. Sie wollen, dass sich das Leben gut anfühlt, ohne Burn-out. Statt die Jugend „die ja noch keine Ahnung vom Leben hat“ belehren zu wollen, denke ich mir: da ist doch etwas dran. Warum sollte sich das Leben nicht auch leicht und gut anfühlen dürfen? Was für limitierende Gedankenmuster laufen denn da eigentlich völlig unbewusst in uns ab? 

In den Prophezeiungen der indigenen Quero in Peru (und vieler anderer naturverbundener Weisheitstraditionen, die unseren kosmischen Kalender noch lesen können) wurde die Zeit, in der wir heute leben, als „Pachakuti“, große Zeitenwende vorhergesagt. Ein über 20.000 Jahre alter Zyklus endete in den 2012er Jahren. Sie erklären, dass – bis zu diesem Zeitpunkt – das männliche, lineare Prinzip immer stärker und stärker geworden ist. Wir sind jetzt an einem „tipping point“. Um Balance und Gleichgewicht auf der Erde und in unseren Gesellschaften wiederherzustellen, kommt das weibliche, zyklische Prinzip jetzt wieder mehr zum Zug. 

Prophezeiungen sind natürlich keine absoluten Wahrheiten und immer auch mit Vorsicht zu genießen. Doch der Blick in die Natur spricht für mich Bände: die Wirbelstürme, das Hochwasser, die verheerenden Brände. Mutter Natur schickt ihre Elemente, um das Gleichgewicht wiederherzustellen, welches wir Menschen – in unserer Unschuld – durcheinander gebracht haben. 

Die meisten Frauen* (und Männer*), die ich kenne, „wollen aber tatsächlich nicht mehr so weitermachen, wie bisher“. In der nachkommenden Generation internationaler Graduierter höre ich immer mehr Stimmen, dass es so wie bisher nicht weitergehen sollte. 

Das dominierende, lineare, männliche Prinzip stimmt für viele schon lange nicht mehr und die Suche nach dem „was ist denn das weibliche Prinzip und wie soll das jetzt konkret im Arbeitsleben aussehen“ hat gerade erst begonnen. Kurse zur Selbsterkenntnis, Persönlichkeitsentfaltung, Yoga und Meditation haben einen Boom im Mainstream der Gesellschaft, der vor 15 Jahren noch undenkbar gewesen wäre. 

Warum Schuld, Scham und Schande nichts bringen

Was also tun? Wütend werden? Beschuldigen und beschämen? 

Oder alles herunterschlucken, die Gefühle unterdrücken (de-pressed) und dann krank werden an der über Generationen hinweg angehäuften, nicht ausgedrückten Wut? Oder irgendwann mit der angehäuften, inneren Galle die ganze Umgebung (passiv-aggressiv) verpesten? 

Keine gute Lösung. Aber was können wir stattdessen tun?

Seit 2010 übe ich fast täglich die friedfertige Kampf- und Kontaktkunst Aikido. Das waren bis heute schätzungsweise 3000 Übungsstunden. Damals entstand aus dem tiefen Wunsch, zwischenmenschliche Friedfertigkeit zu lernen, um besser mit Konfliktsituationen im Alltag umgehen zu können. 

Denn trotz Psychologiestudium brachte mich das ganze Wissen zum Thema Kommunikationstechniken und Konfliktlösungsstrategien an vielen Stellen nicht weiter. 

Ich habe mich gefragt: wie geht guter, zwischenmenschlicher Kontakt? Vor allem dann, wenn jemand (z. B. kulturell) ganz anders ist als ich. Wie kann ich mit verbalen Alltags-Angriffen besser umgehen? 

Ich wollte wissen: Wie kann ich besser reagieren, wenn ich von meinen Gefühlen überrannt werde? Was tun, wenn mich etwas mächtig emotional triggert? 

Meine übliche Reaktion: fight, flight or freeze.

Da helfen auch die besten, psychologischen Kommunikationstechniken nicht weiter, weil ganz alte Bereiche im Hirn und in unserem „Emotional-Körper“ angetriggert werden. 

Ich fragte mich: Wie stattdessen friedfertig reagieren? 

Im Aikido übe ich, das „angegriffen werden“ möglichst friedfertig in die Hand zu nehmen. Die Angreifenden und mich zu beruhigen und zu schützen. Das erfordert eine enorme mentale, körperliche und emotionale Leistung. Und richtig viel Übung, um das automatische, innere Reiz-Reaktions-System „umzuprogrammieren“. 

Ich übe noch!

Wenn ich das auf die Arbeitssituationen in Hochschulen übertrage, dann wird schnell klar: Die meisten Menschen können auf unsere (gerechtfertigte) Wut nur mit Kampf, Flucht, oder Einfrieren reagieren. Nicht mit Dialogbereitschaft. 

Deshalb gehe ich mit meinen Workshops einen anderen Weg. Ich erreiche damit nicht alle. Wer sich so gar nicht bewegen möchte, wird das auch mit dem besten Workshop, oder Vortrag nicht tun. Aber ich erreiche immer wieder auch Skeptiker*innen, denen einfach der richtige Zugang zum Thema gefehlt hat. 

Warum Vorträge zum Thema nicht reichen

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann hunderte Bücher lesen zum Thema gesunde Ernährung, das ändert aber noch lange nicht mein Essverhalten. Wir Menschen sind gar nicht so rational handelnde Wesen, wie wir oft meinen. 

Ein rein theoretischer Vortrag zum Thema „Unbewusste Vorurteile“ wird also alles Mögliche auslösen. In der Regel aber nicht den inneren Willen triggern, etwas zu verändern. 

Es braucht etwas anderes, damit ich wirklich losgehe und etwas verändere: Ich muss an mein Unterbewusstsein, das 90-99 % meines Verhaltens steuert. Mit Theorie komme ich da nicht ran. 

Was ich stattdessen vorschlage

Daher arbeite ich auch psychologisch und mit dem Unterbewusstsein: in meinen Workshops triggere ich bei den Teilnehmenden – durch verschiedene Methoden – jene Bereiche im Gehirn, die den Wunsch nach Veränderung aktivieren. 

In einem zweiten Schritt gehen wir dann daran – innerhalb ihres Einflussbereiches – das System in dem sie sich bewegen neu und inklusive zu designen. 

Mir geht es vor allem aber auch um Self-Empowerment, oder Self-Authority. Also Eigenmacht oder Selbstermächtigung. Statt in einer Opferposition zu verweilen und die Umstände zu beklagen, biete ich meinen Teilnehmenden Räume an, in denen sie ihren Mindset erweitern können. Sie erkennen, wie sie alte, ungesunde Muster, Blockaden und Limitierungen gehen lassen und in ihre weibliche Kraft erkennen und nutzen können. Sie erkennen dann ganz neue Handlungsmöglichkeiten.

Fazit

Ja, wir sind wütend über Ungerechtigkeiten und Ignoranz. Und diese Wut sollte nicht unterdrückt werden, denn das macht krank. Aber die Wut einfach unkontrolliert herauszulassen, führt zu zwischenmenschlichen Kriegen statt zu Dialogbereitschaft.

Den weitaus größten Hebel kann ich immer in mir selbst setzen. Deshalb bin ich für mehr Bewusstsein und Selbstermächtigung, statt Schuld, Scham und Schande.  

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